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Kloster Oelinghausen
Wir waren keine Puppen


Zwillingsfiguren und Sklavengeld aus Westafrika -
eine Ausstellung


Ausstellungsort:
Klostergartenmuseum,
58757 Arnsberg-Oelinghausen


Eröffnung und Einführung:
Sonntag, 23. August 2009, 14:00 Uhr


Ausstellungsdauer:
Sonntag, 23. August 2009 bis
Sonntag, 27. September 2009


Öffnungszeiten:
sonntags, 13:30 bis 17:00 Uhr


 
Einführung

Ein Sammler hat Phantasie und Phantasie heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen. Ein Sammler will zusammenbringen, was zerstreut ist. Die Gegenstände seiner Sammlung sollen ein harmonisches Ganzes ergeben. Dabei regen sie die Phantasie an und erweitern den Horizont. Genau das war die Motivation für die Wunderkammern der Renaissancezeit, aus denen letztlich unsere Museen entstanden sind. Das Klostergartenmuseum zeigt aus einer Privat sammlung Manillen, ere ibeji und andere Objekte westafrikanischer Kunst.

Die europäischen Händler, die seit dem 16. Jahr- hundertdie westafrikanischen Küsten bereisten, kauften vor allem Pfeffer, Gold, Elfenbein, Palmöl und Sklaven. Der schreckliche Sklavenhandel hatte neue Abnehmer gefunden. Wie Puppen, wie eine Ware, wurden Menschen zusammen- getrieben, wegtransportiert, versteigert und verkauft. Bezahlt wurde vielfach mit „Sklavengeld“, Schmuckreifen aus Metall, den Manillen. Das Wort stammt wohl aus dem Portugiesi- schen und setzt sich zusammen aus maho = Hand und anhilo = Ring. Für 12 - 15 dieser Metallspangen konnte man einen Sklaven kaufen! Manillen dienten aber auch als Brautgeld, Grabbeigaben, und als Rohmaterial für die Herstellung von Schmuck und Bronzegüssen. Erstaunlich ist die Formvielfalt derurden in der „verlorenen Form“ gegossen, also im Wachsaus- schmelzverfahren. Nicht immer ist ganz klar, ob die Stücke nur Geld waren, oder auch Schmuck, der von Frauen und Männern getragen wurde. Die meisten Manillen wurden in Afrika hergestellt, aber auch in Europa produ- zierte man Manillen in riesigen Mengen, so z.B. in Birmingham. Im neu entdeckten Amerika brauchte man für die Plantagen Millionen Sklaven. Unvor- stellbare Mengen von Manillen müssen dafür gehandelt worden sein! Erst nach dem Verbot des Sklavenhandels (1807 bis zuletzt 1888 in Brasilien) verloren die Manillen als Zahlungsmittel ihre Bedeutung.

Im Jahre 1949 haben die Engländer in Afrika insgesamt über 30 Millionen Stücke eingezogen und in England einschmelzen lassen. Nur noch wenige Manillen durften die Einheimischen für kultische Zwecke behalten. (Quelle: Michael Hauser: „Aus der Geschichte der vormünzlichen Zahlungsmittel“, Offenburg, ohne Jahr)
 
Der zweite Schwerpunkt der Ausstellung sind Zwillingsfiguren der Yoruba, Nigeria. Es sind kleine
geschnitzte Holzfiguren, meistens nackt, mit aufwendigen Frisuren, am Körper und im Gesicht Schmucknarben, die Arme seitlich an den Rumpf gelegt. Die Augen sind weit geöffnet, der Blick geht scheinbar ins Leere. Silberne Nägel betonen manchmal den Glanz der Augen. Die Gesichter sind ernst. Bei dem Volk der Yoruba (ca. 15 Millionen Einwohner) gibt es sehr viele Zwillingsgeburten, mehr als sonst auf der Welt. Stirbt nun ein Zwilling, glaubt man, dass das seelische Gleichgewicht des anderen Zwillings gestört ist, und dass sein Leben bedroht ist. Der umherirrenden Seele des verstorbenen Kindes muss im Diesseits wieder eine Heimstatt gegeben werden. Darum wird ein Schnitzer beauftragt, als symbolischen Ersatz für das tote Kind eine hölzerne, etwa 25 cm große Zwillingsfigur (ere ibeji = Abbild eines Zwillings) herzustellen. In diese Figur kehrt die Seele des verstorbenen Zwillings zurück So ist die Zwillingsfigur eine Art „Seelenhülle“ im Diesseits, die bewirkt, dass beide Zwillinge wieder mit ihrer Seele verbunden sind. Die Mütter hegen und pflegen die Holzfiguren wie lebende Kinder.

Sie werden bekleidet, geschmückt, gewaschen, gefüttert und stolz herumgetragen. Später sorgt auch das überlebende Zwillingskind für die kleine Figur. Obwohl die ibeji nach europäischen Maßstäben in „falschen“ Proportionen dargestellt werden, strahlen sie doch in ihrer Frontalität eine kraftvolle Würde aus. Diese anrührenden Figuren erzählen von Trauer und Hoffnung, von Liebe und Fürsorglichkeit, von Stolz und Familienzusammenhalt.

Die Ausstellung „Wir waren keine Puppen“ aus der Sammlung Günter Hohoff beleuchtet nur einen kleinen Aspekt afrikanischen Kunstschaffens. Aber der Blick über den berühmten „Tellerrand“ war ja noch nie verkehrt! Betrachten Sie Objekte tiefer Volksfröm- migkeit und fremdartiges Geld. Vielleicht können die Manillen und ibeji Verständnis wecken für afrikanische Geschichte und Kultur. Vielleicht werden Sie sogar neugierig auf mehr. So wäre z.B. das Forum der Völker in Werl ein wundervolles Ziel.                 M.S.


Literatur:
Ute I. Greifenstein: Fremdes Geld, Frankfurt, o. J.
Michael Hauser: Aus der Geschichte der vormünzlichen Zahlungsmittel, Offenburg, o. J.
H. Jantzen und L. Bertsch: Doppel - Leben, Ibeji, Zwillingsfiguren
der Yoruba, Aachen 1993
M. und G.. Stoll: Ibeji, Zwillingsfiguren der Yoruba, München 1980
G. Chemeche: The Cult of Yoruba Twins, Mailand 2003


 

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