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Einführung
Ein Sammler hat Phantasie und Phantasie heißt, sich aus
den Dingen etwas zu machen. Ein Sammler will zusammenbringen,
was zerstreut ist. Die Gegenstände seiner Sammlung sollen
ein harmonisches Ganzes ergeben. Dabei regen sie die Phantasie
an und erweitern den Horizont. Genau das war die Motivation
für die Wunderkammern der Renaissancezeit, aus denen letztlich
unsere Museen entstanden sind. Das Klostergartenmuseum zeigt
aus einer Privat sammlung Manillen, ere ibeji und andere Objekte
westafrikanischer Kunst.
Die europäischen Händler, die seit dem 16. Jahr- hundertdie
westafrikanischen Küsten bereisten, kauften vor allem Pfeffer,
Gold, Elfenbein, Palmöl und Sklaven. Der schreckliche Sklavenhandel
hatte neue Abnehmer gefunden. Wie Puppen, wie eine Ware, wurden
Menschen zusammen- getrieben, wegtransportiert, versteigert
und verkauft. Bezahlt wurde vielfach mit „Sklavengeld“,
Schmuckreifen aus Metall, den Manillen. Das Wort stammt wohl
aus dem Portugiesi- schen und setzt sich zusammen aus maho =
Hand und anhilo = Ring. Für 12 - 15 dieser Metallspangen
konnte man einen Sklaven kaufen! Manillen dienten aber auch
als Brautgeld, Grabbeigaben, und als Rohmaterial für die
Herstellung von Schmuck und Bronzegüssen. Erstaunlich ist
die Formvielfalt derurden in der „verlorenen Form“
gegossen, also im Wachsaus- schmelzverfahren. Nicht immer ist
ganz klar, ob die Stücke nur Geld waren, oder auch Schmuck,
der von Frauen und Männern getragen wurde. Die meisten
Manillen wurden in Afrika hergestellt, aber auch in Europa produ-
zierte man Manillen in riesigen Mengen, so z.B. in Birmingham.
Im neu entdeckten Amerika brauchte man für die Plantagen
Millionen Sklaven. Unvor- stellbare Mengen von Manillen müssen
dafür gehandelt worden sein! Erst nach dem Verbot des Sklavenhandels
(1807 bis zuletzt 1888 in Brasilien) verloren die Manillen als
Zahlungsmittel ihre Bedeutung.
Im Jahre 1949 haben die Engländer in Afrika insgesamt über
30 Millionen Stücke eingezogen und in England einschmelzen
lassen. Nur noch wenige Manillen durften die Einheimischen für
kultische Zwecke behalten. (Quelle: Michael Hauser: „Aus
der Geschichte der vormünzlichen Zahlungsmittel“,
Offenburg, ohne Jahr) |
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Der zweite Schwerpunkt der Ausstellung sind Zwillingsfiguren
der Yoruba, Nigeria. Es sind kleine
geschnitzte Holzfiguren, meistens nackt, mit aufwendigen Frisuren,
am Körper und im Gesicht Schmucknarben, die Arme seitlich
an den Rumpf gelegt. Die Augen sind weit geöffnet, der
Blick geht scheinbar ins Leere. Silberne Nägel betonen
manchmal den Glanz der Augen. Die Gesichter sind ernst. Bei
dem Volk der Yoruba (ca. 15 Millionen Einwohner) gibt es sehr
viele Zwillingsgeburten, mehr als sonst auf der Welt. Stirbt
nun ein Zwilling, glaubt man, dass das seelische Gleichgewicht
des anderen Zwillings gestört ist, und dass sein Leben
bedroht ist. Der umherirrenden Seele des verstorbenen Kindes
muss im Diesseits wieder eine Heimstatt gegeben werden. Darum
wird ein Schnitzer beauftragt, als symbolischen Ersatz für
das tote Kind eine hölzerne, etwa 25 cm große Zwillingsfigur
(ere ibeji = Abbild eines Zwillings) herzustellen. In diese
Figur kehrt die Seele des verstorbenen Zwillings zurück
So ist die Zwillingsfigur eine Art „Seelenhülle“
im Diesseits, die bewirkt, dass beide Zwillinge wieder mit ihrer
Seele verbunden sind. Die Mütter hegen und pflegen die
Holzfiguren wie lebende Kinder.
Sie werden bekleidet, geschmückt, gewaschen, gefüttert
und stolz herumgetragen. Später sorgt auch das überlebende
Zwillingskind für die kleine Figur. Obwohl die ibeji nach
europäischen Maßstäben in „falschen“
Proportionen dargestellt werden, strahlen sie doch in ihrer
Frontalität eine kraftvolle Würde aus. Diese anrührenden
Figuren erzählen von Trauer und Hoffnung, von Liebe und
Fürsorglichkeit, von Stolz und Familienzusammenhalt.
Die Ausstellung „Wir waren keine Puppen“ aus der
Sammlung Günter Hohoff beleuchtet nur einen kleinen Aspekt
afrikanischen Kunstschaffens. Aber der Blick über den berühmten
„Tellerrand“ war ja noch nie verkehrt! Betrachten
Sie Objekte tiefer Volksfröm- migkeit und fremdartiges
Geld. Vielleicht können die Manillen und ibeji Verständnis
wecken für afrikanische Geschichte und Kultur. Vielleicht
werden Sie sogar neugierig auf mehr. So wäre z.B. das Forum
der Völker in Werl ein wundervolles Ziel.
M.S.
Literatur:
Ute I. Greifenstein: Fremdes Geld, Frankfurt, o. J.
Michael Hauser: Aus der Geschichte der vormünzlichen Zahlungsmittel,
Offenburg, o. J.
H. Jantzen und L. Bertsch: Doppel - Leben, Ibeji, Zwillingsfiguren
der Yoruba, Aachen 1993
M. und G.. Stoll: Ibeji, Zwillingsfiguren der Yoruba, München
1980
G. Chemeche: The Cult of Yoruba Twins, Mailand 2003
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